Muss guter Standard teuer sein? Haus der Zukunft – Themenlounge, 19.2.214

Brisante Forschungsergebnisse und spannende, ja fast schon hitzige Debatten kennzeichneten die Haus der Zukunft – Themenlounge zur provokanten Fragestellung ¨Muss guter Standard teuer sein?¨.

Eva Bauer, Leiterin des Wohnwirtschaftlichen Referats des Verbands der Gemeinnützigen Bauvereinigungen (gbv) präsentierte detail- und kenntnisreich Ergebnisse einer Studie, die seit geraumer Zeit in den Kreisen Energieeffizienz bewegter Fachleute für Kontroversen sorgt.

14.220 Wohnungen in insgesamt 321 Gebäuden mit einem jährlichen Heizwärmebedarf HWB laut Energieausweis von 15 bis 150 kWh/m2BGF, wurden hinsichtlich ihrer Investitionskosten einerseits und ihrer tatsächlichen, weil abgerechneten Nutzungskosten andererseits untersucht.

Genaue Ergebnisse finden sich unter: http://www.gbv.at/document/view/4345 .

Kurz zusammengefasst sei hier nur soviel: Die Studie kommt zu dem Schluss, dass sich der tatsächliche Heizenergieverbrauch der effizientesten Gebäude zu jenen am Ende der Effizienzskala nur rund wie 1:3,3 verhält – während die normkonformen Bedarfsberechnungen der Energieausweise immerhin ein Verhältnis von 1: 10 erwarten ließen.

Sorgte schon diese Aussage für einige Diskussion, so war es aber allem voran der Schluss, den Bauer aus diesen Ergebnissen zog, der Widerspruch hervorrief; In Zukunft „etwas weniger Wärmedämmung¨ verwenden zu wollen, weil ¨das nicht so viel bringt, wie erwartet¨ (und eben die entstehenden Mehrkosten bei der Errichtung nicht durch niedrigere Energiekosten im laufenden Betrieb kompensieren kann) – das war mit dem Bauphysikverständnis der zahlreich im Publikum anwesenden PlanerInnen kaum vereinbar.

Aber nun mal der Reihe nach, – berührte diese Frage und die Diskussion, die sich darum entspann, doch gleich ein ganzes Bündel an Themen, die für sich betrachtet werden wollen:

Da ist zum einen die Tatsache, dass das, was im Energieausweis steht und von den TechnikerInnen als ¨Bedarf¨ bezeichnet wird, noch keine unmittelbare Aussage darüber darstellt, was die NutzerInnen des Gebäudes in diesem dann wirklich an Energie verbrauchen und bezahlen werden. Das hängt u.a. sehr stark von ihrem jeweiligen Verhalten ab. Diese Tatsache ist ebenso bekannt wie die, dass gerade in älteren und weniger effizienten Gebäuden oft deutlich weniger verbraucht wird als gemäß Energieausweis zu erwarten wäre. Dass liegt schlicht daran, dass viele NutzerInnen ihr Verhalten in Maßen der bewohnten Gebäudesubstanz anpassen und beispielsweise nicht alle Räume gleich warm beheizen und durchaus zulassen, dass es etwa im Schlafzimmer deutlich kühler ist als laut Berechnungsnorm vorgesehen.

Und bekannt ist auch der spiegelverkehrte Effekt bei hocheffizienten Gebäuden; Der Komfort, den sie bieten, wird von vielen BewohnerInnen gerne in Anspruch genommen – Innenraumtemperaturen liegen hier oft deutlich über den 20° der Norm. Effizienzgewinne werden also oftmals weniger in Einsparungen als in Komfortgewinne umgesetzt – „Reboundeffekt“, wie es so schön heißt. Dass die beheizte Wohnfläche pro Person weiter steigt, gehört auch dazu – und das übrigens, wie Eva Bauer und die gbv betonen, vor allem im privaten Einfamilienhausbau, der immer noch für die Mehrzahl der österreichischen Behausungen aufkommt und für die aus deren Beheizung entstehenden CO2-Emissionen.

Angesichts dieser bekannten Unter- und Überschreitungen gleich die Sinnhaftigkeit von Energieausweisen in Frage zu stellen (die ja per definitionem nicht eine Prognose über tatsächliche Verbräuche liefern sollen, sondern Daten zum energetischen Vergleich unterschiedlicher Gebäude an die Hand geben), erscheint denn doch etwas gewagt. Sinnvoll dagegen ist zweifelsohne das Postulat sich auch hinkünftig noch verstärkt der Thematik dieser Rebound Effekte und ihrer möglichen Vermeidung zu widmen – die Frage der Suffizienz möge hier noch mal außen vor bleiben.

Eine davon losgelöst zu betrachtende Diskussion ist dagegen die der Komfortlüftung – dass diese nicht als Mittel zur Energieeinsparung zu betrachten, sondern für die Wohnhygiene empfehlenswert und insbesondere in Gebäuden mit sehr dichter Gebäudehülle unerlässlich ist, kann mittlerweile als in Fachkreisen weitgehend anerkannt gelten – bei den BewohnerInnen aber kämpft diese Technologie nach Rückmeldungen von PraktikerInnen offensichtlich weiterhin mit Vorbehalten[1]. Ihre Kosten (auch die für die notwendige Wartung) machen sie da nicht unbedingt beliebter. Das jedoch ist wohl ein Thema für sich.

Unbestrittene Prämisse bei all diesen Subthemen bleibt allerdings: wohnen muss auch für weniger Betuchte leistbar bleiben. Martin Ploss vom Energieinstitut Vorarlberg demonstrierte dazu anhand eines Vergleichs der Entwicklung unterschiedlicher Preisindices während der vergangenen Jahre eindrucksvoll, wie weit eben diese gerade bei den Gehältern des untersten Einkommensquartils der österreichischen Bevölkerung mittlerweile hinter den Steigerungen bei Energie- und Wohnungskosten hinterherhinkt.

In wie weit aber ist der bei technischen Normen und Förderrichtlinien geortete ¨Qualitätswahnsinn¨ hinsichtlich Energieeffizienz in Neubau und Sanierung verantwortlich für Preissteigerungen? Oder legt nicht auch eine Bemerkung eines beteiligten Haustechnikplaners eine Fährte, der in der Diskussion um ein großformatiges Passivhausprojekt, das seine Einsparungsankündigungen erwiesener maßen halten konnte, meinte: ¨Bei diesem Projekt haben wir honorarmäßig massiv geblutet.¨? Mit marktüblichen Honoraren seien derartig anspruchsvolle Projekte nicht machbar.

Beißt sich hier eine Katze in den Schwanz?: Weil GebäudererrichterInnen im Sinne einer Kostenoptimierung – auch und vor allem für die EndkundInnen, also die BewonherInnen! – unter anderem auch PlanerInnenhonorare möglichst niedrig halten, ist die für immer noch innovative, neue Gebäudestandards erforderliche, erhöhte Planungsleistung nicht lieferbar und unter anderem weil das so ist, halten die entstehenden Neubauten und Sanierungsobjekte die erhofften Einsparungsziele beim tatsächlichen Energieverbrauch nicht?

Dissonante Töne und hitzig debattierte Fragen einer wichtigen Diskussion – die mit dieser Themenlounge wohl schwerlich schon erschöpfend geführt wurde.


[1] Erst unlängst etwa berichtete mir eine engagierte Hausverwalterin von zahlenmäßig durchaus nicht vernachlässigbaren Verweigerungshaltungen ihrer KlientInnen, die vom Nicht-Warten über Ausschalten der Anlagen bis hin zum Verstopfen von Luftaustrittsöffnungen reichen.

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